In früheren Jahrhunderten waren die meisten Menschen froh, wenn die Soldaten abzogen. Und wenn sie einrückten, waren sie höchst unwillkommen. Ältere Rheiderländer erinnern sich, dass in den 1950er Jahren nach Gründung der Bundeswehr nicht wenige Menschen vor den ersten Soldaten in Weener ausspuckten. Die Bundeswehr war in den ersten Nachkriegsjahrzehnten ein ungeliebtes Kind.
Das sieht heute anders aus. Die Bundeswehr ist anerkannter Teil der Gesellschaft – und wenn sie aus einer Stadt abzieht, was seit dem Fall des Kommunismus öfter vorkommt, fließen in den betroffenen Standorten die Tränen. Weniger aus militärischen, mehr aus strukturpolitischen Gründen. Mit anderen Worten: Kommunalpolitiker sehen die Bundeswehr als Wirtschaftsfaktor. Sie bietet viele Arbeitsplätze, sorgt für Aufträge im Handwerk und damit für Steuereinnahmen.
Aus Ostfriesland zieht sich die Bundeswehr mehr und mehr zurück – was sogar strategische Laien nachvollziehen können. Ihr Gastspiel in Weener ist praktisch vorbei. Das Gerätedepot gibt es nicht mehr, das Marinematerialdepot liegt in letzten Zügen. Jetzt droht der Ausbildungswerkstatt für elektronische Berufe das Aus. Dieses Überbleibsel des Gerätedepots hat für unsere Gegend eine erhebliche Bedeutung, denn es bietet Lehrstellen auf hohem Niveau. Dafür lohnt sich zu kämpfen.
Leicht zu gewinnen ist der Kampf nicht, denn die Bundeswehr wird radikal reformiert. Die Wehrpflicht gehört bereits der Vergangenheit an, jetzt geht es um die Strukturreform, die mit Standortschließungen verbunden ist. Verteidigungsminister de Maiziere wird sie durchsetzen – auch gegen Widerstand. Er ist ein solider und geradliniger Politiker, ein ganz anderes Kaliber als sein Vorgänger zu Guttenberg. Den einen oder anderen Kompromiss wird er akzeptieren, aber nicht von seiner Linie abrücken.
Deshalb schwebt der Luftwaffen-Stützpunkt Wittmund in erheblicher Gefahr. Ihm droht die Schließung. Als Ersatz winkt vielleicht eine Mini-Lösung, so eine Art Start- und Landepunkt bei Übungen über der Nordsee. Dem Standort Aurich läutet ebenso das Sterbeglöckchen.
Auch der Standort Leer mit seinen Sanitätern gilt nicht als unantastbar. Für Leer sprechen zwar erhebliche Investitionen in den letzten Jahren, aber eine Bestandsgarantie sind sie nicht. Leer liegt nun mal abseits, und das Kasernengelände stößt von seiner Größe her an Grenzen. Hier soll kein Teufel an die Wand gemalt werden, aber Kenner der Bundeswehr schließen ein böses Erwachen in Leer nicht aus.