„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Kein Wunder, dass dieser Kalauer mehreren, auf ihre Weise genialen Menschen zugeordnet wird. Zur Wahl stehen Staatsmann Winston Churchill, Physik-Nobelpreisträger Nils Bohr, Komiker Karl Valentin oder Schriftsteller Kurt Tucholsky. Tatsächlich steckt hinter dem eigentlich unsinnigen Satz viel Weisheit – nur um elegant zu sagen, dass es um unsere Vorhersagekraft nicht sonderlich gut bestellt ist.
Wir bleiben hier deshalb auf der sicheren Seite, wenn wir uns am letzten Tag des Jahres nicht politischer oder sonstiger geistiger Bleigießerei zuwenden. Sondern es bei einem kleinen Blick zurück belassen – allein schon, um in einem Jahr nicht als Depp dazustehen. Aber was war denn nun 2011 so wichtig, so anders als sonst, speziell bei uns im Rheiderland oder in Ostfriesland?
Wir machen es nicht an einem bestimmten Ereignis fest. Aber wir sehen: Ostfriesland übernimmt mit zunehmender Tendenz eine Aufgabe von nationaler Bedeutung, die sich im Rheiderland auf engem Raum eindrucksvoll ballt. Sie hängst mit der Energiewende zusammen und zeichnet sich schon seit Jahren ab – beginnend mit vereinzelten Windmühlen, denen bald Windparks folgten. Der Hals-über-Kopf-Ausstieg Deutschlands vom Sommer aus der Atomkraft nach dem Desaster von Fukushima beschleunigte massiv den Trend.
Bei uns an Land weht fast immer Wind, vor unseren Küsten weht er immer und viel kräftiger – und Windkraft ist zentraler Teil als Atomersatz. Die Riesenmengen Strom müssen jedoch ins Binnenland. Dazu sind neue Leitungen nötig, unter und über der Erde. Und beispielsweise ein Umspannwerk wie in Diele. Es kann exemplarisch dafür stehen, dass die neue Energie für Ostfriesland in erster Linie ein Segen ist, was sich in steigender Wirtschaftskraft und sinkender Arbeitslosigkeit spiegelt. Diese Medaille hat jedoch wie alle eine Kehrseite: Neue Energie bedeutet auch Belastung für Menschen, die direkt betroffen sind.
Dazu zählen auch die Niederrheiderländer, die in der Nähe von Kavernen oder Gasleitungen leben. Es ist wie es ist – ohne neue Leitungen oder Umspannwerke, aber auch ohne Kavernen für Erdgas oder für neueste Energietechnik wie Wasserstoff als Speichermedium für Strom wird es nicht klappen. Das erfordert viel Einsicht von Menschen, die Belastungen tragen müssen. Deshalb stehen ihnen mindestens faire Entschädigungen zu.
Es muss ein Gesetz her, das die Beweislast umkehrt, wenn zum Beispiel das Haus Schaden nimmt durch Kavernen oder Leitungsbau. Bisher müssen Hausbesitzer beweisen, dass es der Kavernenbau und nichts anderes ist, der ihr Haus beschädigt. Im Kohlenbergbau ist es umgekehrt: Dort müssen Unternehmen im Zweifel beweisen, dass sie nicht verantwortlich sind. Ein solches Gesetz mit der Umkehr der Beweislast könnte als guter politischer Vorsatz für 2012 dienen.