Sind denn schon alle wulff? Gelegentlich drängt sich der Eindruck auf. Das unsägliche Verhalten unseres Bundespräsidenten sorgt jedenfalls dafür, dass dem einen oder der anderen das Mittelschott aus der Nase fällt und das rechte Maß verliert, wenn auch im umgekehrten Sinne als der geistige Urheber im Schloss Bellevue. Jedenfalls erweist die Landtags- und Kreistagsabgeordnete Meta Janssen-Kucz von den Grünen ihrer Politiker-Branche einen Bärendienst, wenn sie eine Besichtigungsfahrt des Kreistags zum neuen Meyer-Schiff „Disney Fantasy“ nach Bremerhaven ins Zwielicht rückt – so als ob alle Politiker bestechlich seien.
Die Papenburger Werft hat die Kreistage Leer und Emsland für den 11.Februar zu einer Führung durchs Schiff eingeladen und dafür einen Bus bestellt. Die Grünen lehnen die Teilnahme ab. Das ist ihr gutes Recht. Aber ihre Begründung ist unlauter. Janssen-Kucz hält die Einladung für „juristisch grenzwertig“. Diese Worte wählt sie nicht zufällig, denn sie weiß genau, dass die Einladung juristisch korrekt ist. Mit „grenzwertig“ versucht sie jedoch, Zweifel zu säen. Das gelingt ihr natürlich in Zeiten von Wulff.
In Frage käme der Vorwurf der so genannten Vorteilsnahme. Darauf stehen im Strafgesetzbuch eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Vorteilsnahme bedeutet, wenn ein Amtsträger, übertragen ein Kreistagsabgeordneter, für sich oder einen anderen für seine Dienstausübung einen Vorteil fordert oder sich versprechen lässt. Einen Schritt weiter wäre es schon Bestechlichkeit, wenn der Abgeordnete einen Vorteil als Gegenleistung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, und zwar dafür, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornimmt. Mit anderen Worten: Wenn der Abgeordnete von Meyer eine Busfahrt mit allem Drum und Dran fordert und dafür mögliche Beschlüsse pro Meyer fällt.
Im Falle der Busfahrt nach Bremerhaven lässt sich auch mit schlechtestem Willen weder Vorteilsnahme noch Bestechlichkeit konstruieren. Abgesehen davon, dass ein Kreistag als Gruppe (Kollektivorgan) für die genannten Paragrafen des Strafgesetzbuches nicht in Frage kommt. Aber auch jenseits der Juristerei schießt Janssen-Kucz weit übers Ziel: Allein die Vorstellung, eine fünf- bis sechsstündige (!) Fahrt im Bus (!) an einem Sonnabend (!)nach Bremerhaven (!) ist schon gruselig genug, um an einen Vorteil zu glauben, geschweige an ein Vergnügen.
Auch vom Materialwert ist der grüne Vorwurf ziemlich daneben. So kostet ein 51-er Bus nach Bremerhaven 440 Euro. Umgelegt auf die einzelnen Mitfahrer macht das 8,60 Euro. Meyer wird seine Gäste nicht mit knurrenden Mägen durchs Schiff gehen lassen, so dass noch ein paar Euro für Speis‘ und Trank hinzukommen. Aber nicht so viel, dass ein Kreistagsabgeordneter sich der Werft verpflichtet fühlen müsste. Verpflichtet fühlen muss er sich jedoch den Arbeitsplätzen bei Meyer, und deshalb ist es nur gut, wenn er sich ein qualifiziertes Bild von der Leistung der Werft macht und sich nicht von den Grünen irre machen lässt, denen die ganze Richtung nicht passt. Zum Glück sind nicht alle wulff.