Was macht einen guten Rathaus-Chef aus? Was unterscheidet ihn von Konkurrenten, die zwar auch nicht auf den Kopf gefallen sind, aber trotzdem nicht gewählt werden? Fragen, auf die es keine Patent-Antworten gibt. Aber die Bürgermeisterwahlen am 25.Mai ließen einen Trend deutlich erkennen: Die Persönlichkeit gibt den Ausschlag.
Das wurde deutlich, weil gleichzeitig das Europaparlament zur Wahl stand. Parteien, die für Europa relativ normale Ergebnisse einfuhren, konnten längst nicht immer ihre örtlichen Bürgermeisterkandidaten durchsetzen. Die meisten Wähler schauen genau hin, wen sie auf den Chefsessel im Rathaus heben wollen.
Gefragt sind Bürgermeister, die Probleme abarbeiten, ohne sich selbst zu sehr ins Licht zu rücken. Der bekannte Parteienforscher Rudolf Korte sagt: „Der klassische Kümmerer kommt gut an. Streithähne und Selbstdarsteller sind verpönt.“ Er könnte Recht haben. Denn weil die Glaubwürdigkeit von Parteien gesunken ist, wird Politik immer persönlicher. So ist das flächendeckend gute Ergebnis der Sozialdemokraten in Ostfriesland dem Europaabgeordneten Matthias Groote mit zu verdanken.
Es ist kein Zufall, wenn Bürgermeister Gerald Sap, SPD, in Bunde neun von zehn Wählern auf seine Seite zieht. Zufall spielt auch keine Rolle beim parteilosen Jemgumer Bürgermeister Johann Tempel, dem viele keinen Sieg zugetraut hatten – im Gegensatz zu seinen Wählern.
Und wenn die SPD bei der Europawahl in Weener über 47 Prozentpunkte holt, ihr örtlicher Bürgermeister-Kandidat aber nur knapp die Hälfte, lässt sich das nicht auf die Bundes-SPD schieben. Um noch einmal Parteienforscher Korte zu zitieren. Es klingt, als ob er es für Weener geschrieben hätte: „Für die etablierten Parteien muss das Werben um starke Problemlöser vor Ort beginnen. Denn nichts ist wahlentscheidender als ein Kandidat mit dem Image des Lieblingsnachbarn.“
Politiker wie Landrat Bramlage, SPD, die Bürgermeister Themann, SPD, in Hesel, Lüpckes in Westoverledingen und Harders in Ostrhauderfehn, beide parteilos, oder die frischgebackene Bürgermeisterin Bettina Stöhr, SPD, in Moormerland stehen für den Typus „bodenständig und ausgleichend“. Sie kümmern sich.
Es ist ebenfalls kein Zufall, dass der parteilose Leeraner Bürgermeister Wolfgang Kellner trotz Amtsbonus nur knapp die 30-Prozent-Marke überschritt. Er rettete sich in die Stichwahl, weil er das Glück hatte, nicht auf starke Gegenkandidaten zu stoßen. Zum Beispiel auf einen Bewerber wie in Weener vom Schlage Ludwig Sonnenberg, der glorreich siegte.
Es ist schon Hochmut, dass Kellner praktisch auf Wahlkampf verzichtet hat. Ob er noch einmal die Kurve kriegt? Seine Ausgangslage ist zwar besser als die seiner CDU-Kontrahentin Beatrix Kuhl, die deutlich zurücklag. Aber am 15. Juni steht alles wieder auf Null. Kellner ist angeknackst. Die SPD unterstützt ihn zwar, doch Wähler lassen sich nicht wie Pakete hin- und herschieben.