Die Welt ist aus den Fugen. Diesen Eindruck haben viele Menschen und feiern Weihnachten zumindest mit einem unguten Gefühl. Angst vor Terror beschleicht sie, die Bild-Zeitung nährt sie kräftig und schreibt über die halbe Titelseite nur ein Wort: „Angst.“
Der Innenminister eines Mini-Bundeslandes spricht sogar vom Krieg. Ziemlich hohl, denn er verniedlicht den Krieg, findet aber teilweise Beifall. Krieg ist in Aleppo. In Berlin, vorher in München oder Paris sind individuelle Verbrecher am Werk, die sich als Glaubenskrieger verstehen.
Wie man sie bekämpft, hat Helmut Schmidt als Kanzler in den 70er Jahren in einer Rede an die Nation gesagt, die das Fernsehen heute eins zu eins wieder ausstrahlen könnte. Damals überzog die selbst ernannte Rote Armee-Fraktion (RAF) die Republik mit Terror und wollte es auf die Kriegsebene heben. Sie berief sich nicht auf einen Glauben, sondern auf eine Ideologie, was aufs Gleiche hinausläuft.
Es beruhigt, dass die meisten Menschen der Angst trotzen und sich von Verbrechern nicht vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben. Sie besuchen trotzdem einen Weihnachtsmarkt, wenn ihnen danach ist – wohl wissend, dass auch der beste Polizei-Schutz einen zu allem entschlossenen Mörder schwer aufhalten kann.
Unterkriegen lassen sich auch nicht die Frauen und Männer, die sich trotz anschwellender Anti-Stimmung für Flüchtlinge einsetzen. Um beim Bild mit der aus den Fugen geratenen Welt zu bleiben: Sie fugen die Risse im Kleinen mühselig wieder zu. Nehmen wir als Beispiel die Mitbürger, die sich gemeinsam mit dem Jugendamt des Landkreises, mit Kirchen, Volkshochschule, Kreishandwerkerschaft, Sportvereinen oder dem Arbeitskreises Schule Rhauderfehn um „unbegleitete minderjährige Ausländer“ kümmern, wie es im Behördenjargon heißt.
Es sind überwiegend jugendliche Männer, 110 an der Zahl, alleine geflohen aus Afghanistan, Syrien, Eritrea, Somalia, Guinea, der Elfenbeinküste, dem Irak, dem Sudan, Albanien, Marokko, Gambia und Ägypten. Wenn Ausländerbehörde und Polizei alles geklärt haben, kommen sie in die Clearingstelle der Jugendhilfe des Landkreises. Diese war zunächst im Gäste- und Tagungshaus „Alter Brunsel“ in Burlage untergebracht und wurde später ins Hotel „Westerfehn“ in Westrhauderfehn verlegt. Dort lernen sich Flüchtlinge und behördliche Helfer näher kennen.
Die Flüchtlinge richtig einzuordnen, ist schwer. Ein Teil stammt aus Großstädten und hat eine gute Schulbildung. Andere waren jahrelang auf der Flucht, sind misshandelt oder gar gefoltert worden. Eines jedoch eint sie: Hoffnung auf ein besseres Leben, hoch motiviert, es selbst in die Hand zu nehmen.
Sie gehen jetzt zur Schule, in einem Modellprojekt der Reformierten Kirche, der VHS und der Kreishandwerkerschaft. Acht Schulstunden täglich. Normale Schulen erweisen sich oft als überfordert, weil die Bildungsstände sehr verschieden sind. Viele sprechen kaum Deutsch, wenn sie kommen, sind schon 16, 17 Jahre alt.
Die jungen Leute wohnen in Heimeinrichtungen mit je zehn Plätzen des Arbeitskreises Schule oder auch des Reformierten Synodalverbandes in Weener. Und Gastfamilien bieten mehr als 30 jungen Menschen eine Heimat, auch im Rheiderland. Sie fugen die Welt zusammen. Sie sind Helden des Alltags.