Streit kann wie ein Gewitter wirken und die Luft reinigen. Manchmal endet er jedoch in erbitterte Abneigung. Man macht sich gegenseitig das Leben schwer. Es beschränkt sich nicht auf Familien oder Nachbarschaften, sondern findet auch im öffentlichen Leben statt. Wie seit einiger Zeit auf den Musikbühnen Ostfriesland.
Nach außen sieht es ja ganz toll aus: Das kleine Land der Ostfriesen wartet seit einigen Jahren mit zwei prächtigen Festivals für klassische Musik auf – dem Musikalischen Sommer und den Gezeitenkonzerten. Wochenlang. Talentierter Nachwuchs sowie national und international ausgewiesene Musiker begeistern in Dutzenden Konzerten das Publikum. In Kirchen, Burgen, Konzertsälen, gar im VW-Werk Emden oder im „Polderhof“ in Bunderhee.
Aber hinter den Fassaden klingt die Musik schrill. Zwei Festivals zur selben Zeit überfordern die kleine Region. Sie kannibalisieren sich gegenseitig. Nicht alle Konzerte sind ausverkauft.
Um es zu verstehen, ein Blick zurück. Seit 1983 gibt es den Musikalischen Sommer in Ostfriesland, gegründet und künstlerisch geleitet von Wolfram König in Aurich, heute Wien, dem „Oberhaupt“ einer Musikerfamilie. Der Musikalische Sommer gedeiht im Laufe der Jahre zu einem internationalen Festival für klassische Musik.
2008 schließen König und die Ostfriesische Landschaft einen Vertrag zur Zusammenarbeit, um das Festival auf stabilere Füße zu stellen. König kümmert sich um die Kunst, die Landschaft um die Organisation. Aber das Glück dauert nur wenige Jahre. 2011 kommt es zum erbitterten Streit um Geld und Kompetenzen, der vor Land- und Oberlandesgerichten ausgefochten wird.
Das Ende dieses Liedes: Familie König macht allein weiter mit ihrem Musikalischen Sommer, die Landschaft gründet die Gezeitenkonzerte. Die wichtigsten Sponsoren unterstützen die Gezeitenkonzerte. Die Frage liegt auf der Hand, ob die Familie König den finanziellen Kraftakt auf Dauer durchsteht. Iwan König – Sohn des Gründers, Pianist und heutiger künstlerischer Leiter – appelliert bei den Konzerten sehr deutlich an potenzielle Spender, die Taschen zu öffnen.
Er scheut sich dabei nicht, die Landschaft und im selben Atemzug auch Kommunalpolitiker heftig zu attackieren. So wirft er der Landschaft vor, Terminabsprachen zu verweigern. Und nennt zwei Beispiele, die in der Tat unter Leuten, die miteinander reden, so nie vorkommen würden: Am 1. Juli fanden in Emden zur selben Stunde ein Gezeitenkonzert im VW-Werk und ein Sommerkonzert in der Neuen Kirche statt. Beide mit hochrangigen Künstlern. König ärgerte sich mächtig, dass die Kirche längst nicht voll war.
Und an diesem Sonntag erneut eine Doppelung in Emden: Das Abschlusskonzert des Musikalischen Sommers steigt in der Johannes-a-Lasco-Bibliothek, die Landschaft lädt zum Konzert in die Neue Kirche.
Iwan König schmälerte am 1. Juli mit seiner völlig unangemessenen Tirade gegen Landschaft und Politik den Genuss zumindest eines Teils des Publikums. Nicht alle applaudierten. Wer geht schon ins Konzert, um politischen Streit zu hören? Wobei König in der Sache nicht falsch liegt. Seine Art und Ausdrucksweise deuten jedoch darauf hin, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen ist. Auch deshalb dürfte das Tischtuch zwischen den Kontrahenten kaum wieder zu flicken sein. Schade. Es könnte alles so schön sein.